Gelegentlich möchte ich auf die Pausetaste drücken, vielleicht auch kurz zurückspulen, um dann noch mal zu erleben/genießen/sehen/fühlen, was zum Zeitpunkt X passiert ist. Allerdings klemmt das Gerät.
Es ist nämlich so: Ich lebe aktuell in einem Tempo, das mitzuhalten mir nicht lange gelingen wird. Ändern kann ich jedoch ohnehin nichts daran, da ich die Geschwindigkeit des Vorbeisausenden nicht selbst bestimme; und so halte ich quasi schicksalsergeben mitten auf der Autobahn den Kopf aus dem Seitenfenster und lasse mir den Wind so stark um die Nase wehen, dass es schwer fällt zu atmen, sich aber genau deswegen so gut anfühlt. Weil es intensiv und vor allem besonders ist. Metaphorisch gesprochen, versteht sich – ich bin ja nicht so blöd, in den Serpentinen hier tatsächlich den Kopf aus dem Autofenster zu halten. Außerdem ist ohnehin immer die Klimaanlage im Auto an, da bleiben die Fenster oben.
Jetzt aber zurück zum Eigentlichen: Es rast alles an mir vorbei gerade. Was gestern war – schwierig zurückzuholen. Es könnte auch vor sechs Wochen gewesen sein. Das „intensiv“ zu nennen, wäre ein Euphemismus; es überrollt mich, die ja immer gerne zack-zack-jetzt-aber-alles-auf-einmal-und-zwar-sofort-warten-kann-ich-eh-nicht haben will, komplett. Rums, einmal drüber, plattmachen, weiterrasen. Es ist, als säße ich im Kino und schaute einen Film, der mit diesen Millisekunden-Schnitten arbeitet, die angeblich nur vom Unterbewusstsein aufgenommen werden. Wie bei Fight Club, da wurde Tyler Durden reingeschnitten, bevor er überhaupt als Figur vorkam. Toller Film, übrigens, mit dem großartigen Edward Norton. Aber ich schweife ab. Mein Leben ist gerade so ein Film, zum Glück allerdings weniger brutal als Fight Club. Das Wichtigste wird aufgeschrieben, nicht hier, sondern noch analog mit Tinte, damit ich dieses mir unbekannte und nicht steuerbare Drehbuch nachlesen kann. Ich schreibe trotz des Fahrtwindes, damit es bleibt und nicht unscharf als irgendeine unbedeutende Episode vorbeifliegt an mir, ohne Spuren oder Erinnerungen zu hinterlassen, und damit mir auch morgen, was bei dem aktuellen Tempo gefühlt eher fünf Wochen sind, klar ist, was das für mich bedeutet und mit mir gemacht hat. Und weil Schreiben Erlebtes festigt, indem es es festsetzt. Gefühle und Situationen in Sätze pressen, um sie real zu machen – da kommt man wohl nicht raus als Journalist.
Das Leben im Zeitraffer ist toll, extrem emotional und gleichzeitig wahnsinnig anstrengend. Aber das in einer so guten Art, dass ich mich zwinge, es zu genießen und alles aufzunehmen, damit eben nichts an mir vorbeifliegt und übersehen oder überfühlt wird. Bloß nicht nachlässig werden und irgendwas nicht richtig mitkriegen! Das alles zu beschreiben, ist schwierig und vermutlich nur von denen zu verstehen, die mal Ähnliches mitgemacht haben. Der Oman war nichts dagegen; seit zehn Wochen wird bei mir mit Vierfachtempo vorgespult; und der einzige Grund, weshalb ich das mal gerne kurz ausbremsen würde, ist, dass ich Angst habe, sonst etwas zu verpassen oder nicht richtig zu verstehen von dem, was ich selbst erlebe. Klingt sinnfrei, ist es aber nicht. Wäre ich des mathematischen Denkens mächtig, könnte das sicher schlau mit irgendwelchen Kurven oder Potenzen dargestellt werden.
Ich hoffe nicht, dass es mich mit einer Vollbremsung raushaut aus dem Tempo. Es sollte lieber irgendwann langsam etwas Gas weggenommen werden, wer auch immer gerade dafür zuständig ist. Sonst falle ich um – das dann vermutlich nicht nur metaphorisch gesehen.
Und nebenbei habe ich noch einer vollkommen fremden Vierjährigen (sehr zutrauliches Ding) die Hello-Kitty-Unterhose angezogen. Das war vorgestern. Glaube ich. Oder vor zwei Wochen. Auf jeden Fall war es, bevor sie in den Pool… und es wäre schön, wenn ich an dieser Stelle „Pipi machte“ schreiben könnte. Aber man muss ja bei der Wahrheit bleiben.
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