Kommunikatives Großraum-Ego

Check, check, hallo, hallo, ist da wer? Eigentlich auch völlig egal, denn es geht hier eher um mein aktuelles Mitteilungsbedürfnis als darum, die Nachrichten auch gelesen zu wissen. Obwohl eine gewisse schreiberische Egozentrik genau genommen Berufsethos ist, da komme ich nicht gegen an, auch nicht mit Kopf unter Wasser. Wir finden uns einfach grundsätzlich ziemlich wichtig, wir Journalisten; ein kommunikatives Großraum-Ego gehört zur Grundausstattung.

Auf dem Handy sah ich eben Fotos von früher. Von Zuhause. Von dem schönen Holzboden, dem begehbaren Kleiderschrank, den Bildern, den kahlen Wänden und der Ordnung. „Das war alles Deins“, dachte ich, und es war komisch. Ich war da wirklich gerne, in dieser Wohnung. Aber das alles ist wahnsinnig weit weg inzwischen, auf eine Art, in der man eher verwundert als wehmütig zurückschaut. 50 Paar Stiefel? Skurril! 20 Jeans? Soso! Genervt, weil Staub auf dem weißen Hochglanz-Schrank im Flur liegt? Verrückt! Dabei sind es nicht mal drei Monate.

Um das mal in Relation zum Jetzt zu bringen: Ich finde es normal…

…Tee zu trinken, in dem ein paar tote Ameisen treiben.
Die können schon mal nicht mehr auf mir rumkrabbeln.

…In einem Warung zu essen, wo unidentifizierbare Klümpchen am Besteck kleben.
Man kann ja auch die Finger nehmen.

…Häufig mit ungetuschten Wimpern durch die Gegend zu laufen.
Verschmiert nicht.

…Mindestens vier Liter Flüssigkeit in mich reinzukippen. Täglich.
Gar nicht so schwierig.

…Dass von den vier Litern mindestens drei Liter Wasser sind, in dem so was wie winzige Algen schwimmen.
Schmeckt man gar nicht.

…Ein T-Shirt länger als einen Tag zu tragen.
Riecht ja noch nicht.

…Überhaupt nur noch fünf eigene T-Shirts, drei Tanktops, drei Hosen, zwei Kleider und dreimal Langärmeliges zu besitzen.
Reicht.

…Fertigen Zuckerpulverkaffee zu trinken.
Statt Süßigkeiten. 

…Kiloweise Plastikmüll aus dem Meer zu klauben. 
Wie konnte man sich nur über zwei beschichtete Kartons in der Papiertonne ärgern?

…Bei Skype alle zwei Minuten neu wählen zu müssen.
Hey, richtig gute Internetverbindung heute!

…Arme kleine Katzen zu verscheuchen.
Bin ja ohnehin mehr der Hundetyp.

…Vor dem Schlafengehen acht Mücken zu töten. 
So wenige!

…In Millionen zu denken und das Gefühl zu haben, sofort die Hände waschen zu müssen, wenn man Geld angefasst hat.
Was fühlen sich Euroscheine doch sauber an.

…Den ganzen Tag über Sonnenbrille zu tragen.
Versteckt auch die ungetuschten Wimpern.

…Beim Frühstück und überhaupt den ganzen Tag aufs Meer zu gucken.
Schön. Immer wieder. 

To be continued.