Nach den ersten beiden Tauchgängen schaut mich der Guide fragend an. „Ich habe die ganze Zeit versucht, herauszufinden, was Du eigentlich filmen oder fotografieren willst“, sagt er. Da bringt man einige Kilo Gehäuse, Kamera und Beleuchtungsklimbim durch die Sicherheitskontrollen diverser Flughäfen bis ans andere Ende der Welt und tut nichts anderes damit, als sich das teure Ensemble bei zwei Tauchgängen nur gegen den Körper zu pressen. Palau gilt als eines DER Tauchparadiese der Welt. Bekannt für starke Strömungen und Großfisch. Dass jemand Haie, Mantas und Fischgewusel nicht mit der Kamera festhalten will, lässt an dessen Verstand zweifeln.
Aber was soll ich sagen: Ich war zu sehr mit Gucken beschäftigt. In echt, ganz analog. Weil ich noch nie derart intakte, müllfreie Riffe und so unfassbar tolle Farben unterwasser gesehen habe. Haie und Strömung: okay, ganz nett. Was mich aber wirklich, wirklich beeindruckt hat, ist das bunteste Unterwassererlebnis meiner Taucherkarriere in (noch und hoffentlich noch ganz, ganz lange) gut geschützter Umgebung. Weichkorallen, Hartkorallen – unfassbar überall, unfassbar gesund und unfassbare Ausführungen!
Das hier ist Holi, das Fest der Farben. Mitten im Pazifik, in 20 Meter Tiefe. Nur, dass hier keiner mit buntem Kreidestaub um sich wirft und alles einsaut, sondern alles Natur ist und nur das Herz vernebelt vor lauter surrealer Schönheit. „Wie ein vertikaler Garten“, beschreibt es ein Mittaucher, der schon Top-Regionen wie Fiji und Galapagos gesehen hat, glückselig nach einem nächtlichen Strömungstauchgang an einer Steilwand. Er gluckst dabei vor Freude.
Man muss sich das so vorstellen, dass die Strömung die Taucher wie an einem riesigen impressionistischen Gemälde vorbeischiebt. Hinter sich die Dunkelheit, vor sich in den Lichtkegeln ihrer Lampen immer neue Farbkleckse, die verschwimmen, vorbeiziehen, sich vermischen, ins Hirn knallen und Bilder erschaffen, die die wildesten psychedelischen Substanzen nicht erzeugen könnten (man sollte an dieser Stelle allerdings zur Sicherheit lieber mal Ronny um entsprechende Erfahrungswerte bitten).
27 Mal bin ich in dieser Wunderwelt gewesen. Mit Beweisen wird es schwierig: Ich habe dabei das vermutlich unprofessionellste Foto- und Videomaterial meines Lebens fabriziert. Bildschnitt, Belichtung, Schärfe – alles eher suboptimal. Meistens ließ ich die Kamera einfach nur ausgeschaltet und mich durch diese Zauberwelt treiben, wissend, dass jeder Versuch, ein Speicherkarten-Spektakel zu produzieren, das der Natur gerecht werden würde, scheitern müsste. Nur bei den für mich eher unspektakulären Haien hielt ich drauf, froh, eine Farbenpause zu haben und nur glitzerndes Raubfischgrau vor beruhigendem Blau zu sehen. Eine Freundin, die inzwischen in Indonesien lebt, berichtete vor einem Jahr, dass sie dort die Farben der Südsee, wo sie vorher arbeitete, vermisst. Ich wunderte mich damals. Jetzt nicht mehr.
Bilder gibt’s hier.