Die Verlagswelt hat einen Geschäftszweig entdeckt und wirft in rauen Mengen Poesiealben für Erwachsene auf den Markt. Sie heißen „Mein Reisetagebuch“ oder so etwas wie „Ich unterwegs“ und sind ein absoluter Albtraum. Niemand, der ernsthaft reist, schleppt ein vorgefertigtes Büchlein mit sich herum, auf dessen Seiten er seine Lieblingshotels eintragen oder die schönste Palme zeichnen kann.
Es sei denn, er residiert „All in“ auf Gran Canaria und notiert gerne, welche Strandliege er morgens reserviert hat und ob er der Erste am Büffet war. Ich habe nichts gegen Pauschalreisen, sofern ich sie nichts selbst machen muss, und vermutlich gibt es einen Riesenmarkt für die albernen Reisetagebücher. Gekaufte Kreativität für 9,90 Euro, um Eintrittskarten und das Flugticket auf mit Muscheln illustrierte bunte Seiten zu kleben. Wer’s braucht. Ich gehöre nicht dazu. Was nicht heißt, dass man keine Erinnerungen festhalten sollte. Für mich passt nur das, was ich erlebe, nicht in ein vorgefertigtes Raster, weil diese Art des Aufschreibens der Art des Reisens, die ich mag, nicht gerecht wird.
Generell gilt: Unterwegs schreibe ich auch viel auf, manchmal seitenweise, an was ich mich erinnern will oder wie es mir aus welchem Grund in welcher Situation ging. Und ich kann es nur empfehlen. Schreibt, Leute! Notiert alles, was Ihr zu notieren müssen glaubt. Aber doch bitte nicht in ein albernes Büchlein mit Weltkarten-Aufdruck.
Manchmal schreibe ich mir nur eine Namensliste auf von Menschen, die ich kennen lernte. Oder bringe Stichwörter zu Papier, die ich immer mit der jeweiligen Reise verbinden werde. Curaçao und Mexiko beispielsweise dieses Jahr sind untrennbar mit „Isso“ verbunden. Weil ich vermutlich noch nie so oft „Isso“ gesagt habe wie dort. Man kann darüber streiten, was „Isso“ eigentlich ist. Ich sage: Ein vollständiger Satz. Und zwar mein Satz des Jahres. Aber nun schweife ich ab.
Also: Die einzigen beiden Büchlein, die mir beim Reisen wichtig sind, haben einen schwarzen beziehungsweise dunkelroten Einband und sind a) eine schwarze Moleskine-Kladde in Din-A-5-Größe und b) mein Reisepass. In die Moleskine-Kladde wir grundsätzlich nur mit Füller geschrieben, Kugelschreiber mag ich nicht. Und der Pass wird munter bestempelt und schöner, je weiter Zerfledderung und Stempelverwischung fortschreiten. Diese zwei Büchlein reichen, mich an Reisen zu erinnern. Und ich liebe es, am Flughafen zu sitzen und im Pass zu blättern. Es ist dieses „Weißt Du noch…?“-Ding. Ein bisschen wehmütig werde ich dann, in der Grundstimmung aber immer glücklich. Weil mich Reisen einfach zufrieden macht.
Die Stempel von den Malediven mit ihrem „Flugzeug landet“-Motiv (Einreise) und „Flugzeug hebt ab“-Modell (Anreise). Die arabischen Schriftzeichen aus dem Oman. Die „Coco de Mer“-Stempel von den Seychellen, die sehr speziell und irgendwie nach Hintern aussehen. Alle da, alle toll, alle eine Erinnerung. Wenn so ein Pass voll ist oder auf dem Weg dahin, es zu werden, erzählt er mehr als ein Reisetagebuch aus der Großbuchhandlung.