Unter optischem Einfluss meines Jeannie-in-the-bottle-Looks driftete das Gespräch beim Abendessen ein wenig ins Esoterische ab. Da erklärte jemand, der Kinesiologie zu trauen, nachdem dadurch Schwermetallvergiftungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei ihr diagnostiziert worden seien. Sie erklärte munter weiter. Der Kinesiologe habe ihr Schalen mit Lebensmitteln vorgehalten und sie gebeten, ihren Arm zur Seite zu strecken. Dann habe er mit seinen Fingern von oben den Arm nach unten gedrückt und sie musste dagegenhalten, so dass der Arm in der Horizontalen blieb. Gerader Arm ist gut.
Soweit folgte ich, mit verschränkten Beinen in meiner Pluderhose sitzend, der Erklärung eher minder interessiert. Dann ging die Geschichte aber weiter: Wenn Lebensmittel, die sie nicht verträgt, in der Schale liegen, kann sie dem Druck der Kinesiologenfinger nicht standhalten und der Arm sinkt nach unten. An dieser Stelle musste ich, dem täuschenden Alternativkleidungsstil und neutralem Gesicht zum Trotz, laut lachen. Ich forderte den Test ein.
Also stand ich auf, rechten Arm seitlich in die Horizontale gebracht und die Augen geschlossen. Sie spielte den Kinesiologen, beteuerte aber vorbeugend, kein Experte zu sein, falls das Experiment scheitern sollte. Dann gab sie mir Anweisungen: „Denk an Wasser!“ Und ich dachte an Wasser. Derweil drückte sie von oben gegen meinen Arm, der dank meiner enormen Bi- und Trizepskraft, gestählt durch sekundenlange vergebliche Versuche, wenigstens einen einzigen Klimmzug zu schaffen, in nahezu unveränderter Position blieb. Dann die nächste Anweisung: „Denk an Cola.“ Und ich dachte an Cola. Der Arm sackte nach unten. „Siehst Du, Cola ist nicht gut und Du kannst nicht dagegenhalten.“ Das überzeugte mich nicht, zumal ich höchst selten Cola trinke, was natürlich die Gefahr des Falschdenkens erhöht, und so forderte ich weitere Versuche ein und dachte an Milch, der ich generell nicht traue, essenstechnisch gesehen, und die ich, außer in Tee oder Kaffee versteckt, äußerst suspekt finde. Der Arm sackte ein wenig ab. Aber auch das konnte ja Zufall sein, vielleicht waren mein inneres Ohmmm und ich auch der ausdrücklichen Anweisung, nach der Cola als Neutralisierung wieder an Wasser zu denken, nicht ernsthaft genug nachgekommen, und der Arm war emotional noch in der bösen Colastellung gefangen.
Also nächster Versuch: Weizen. Der Arm sackte ab. „Siehst Du, es funktioniert“, sagte sie. Ich glaubte es trotzdem nicht und dachte beim weiteren Versuch an Bier, das mir grundsätzlich am nächsten Morgen Magengrummeln beschert. Genauer: Ich dachte an Bintang, jenes Kinderbier, das hier bereits für lustige Abende gesorgt hat. Ich stellte mir die Parade sternbedruckter grüner Flaschen vor, die ich einst auf der Theke aufmarschieren ließ, natürlich, nachdem die Fläschchen gemeinsam fachmännisch geleert worden waren. Der Arm krachte sofort bleischwer nach unten. Bei Alkohol, so hieß es dann, könne tatsächlich niemand dagegenhalten. Alkohol sei für jeden schlecht, und bei dem Versuch gehe es schließlich darum, herauszufinden, was gut für einen sei.
Ich gedankenneutralisierte schnell mit Wasser und dachte intensiv an Whiskey. Den rauchigen, weichen, der so schmeckt wie Kaminfeuer mit Vanille; serviert ohne Eis, versteht sich, in einem Glas mit dünnem Rand.
Der Arm blieb oben. Er wackelte nicht mal.